Der RBJ im Jahr 2015: ein Bezugspunkt für die Medien
20. April 2016
„Die Medien müssen mehr denn je kompromisslos rigoros mit Fakten umgehen“, betont Marc de Haan und stellt den Jahresbericht 2015 des Rates für Berufsethos der Journalisten vor, dessen Präsident er ist. Dieses Jahr war eine besondere Herausforderung für die Redakteure, die sich mit der Notwendigkeit konfrontiert sahen, über dramatische Ereignisse angemessen zu informieren. Der RBJ versuchte, so Marc de Haan weiter, ihnen so gut wie möglich durch Maßnahmen zu helfen, die als Antwort auf die gestellten Fragen getroffen wurden.
Insbesondere erhielt der RBJ eine Beschwerde gegen die Anfang September erfolgte Veröffentlichung des Fotos des kleinen Aylan Kurdi. Der RBJ erinnerte an die generellen Kriterien für die Entscheidung zur Veröffentlichung von Fotos und stellte fest, dass dieses Foto aufgrund seiner Wahrhaftigkeit und seinem unverkennbaren Informationsgehalt über die Realität des Exils den berufsethischen Vorschriften entspricht. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass man sich auf einen Einzelfall konzentriert und eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber anderen Toten im Mittelmeer entsteht.
2015 war auch das Jahr der Anschläge in Paris und an anderen weniger von der Presse abgedeckten Orten und den damit einhergehenden Fragen über die richtige Art der Information. Bereits im Februar reagierte der RBJ auf die von mehreren Medien geäußerten Bedenken über die Bereitstellung ethischer Bezugswerte. Am 10. Juni 2015 verabschiedete er eine Empfehlung über die Berichterstattung in Notsituationen, deren Schlüsselwort „Verifikation“ lautet, die Vorrang vor Schnelligkeit haben muss. Obwohl die sorgfältige Analyse der Berichterstattung über die Anschläge vom 13. November und 22. März noch aussteht, zeigt eine erste Prüfung, dass diese Empfehlung dazu beigetragen hat, Fehler zu vermeiden.
Eine weitere Neuerung im Jahr 2015: die Veröffentlichung von zulässigen Beschwerden
Regelmäßig nach „seiner eingeschränkten Sanktionsbefugnis“ gefragt, ist der RBJ 2015 einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Alle Medienvertreter des Verbandes, der den Rat überwacht, haben sich verpflichtet, ihren Lesern, Zuschauern, Hörern die Gutachten des RBJ zu Beschwerden gegen sie zu veröffentlichen, die der Rat nach Abwägung präziser Kriterien als begründet bewertet hat. Es gab einige Widerstände gegen die Umsetzung dieser Verpflichtung, aber neue Auflagen wurden dem RBJ mitgeteilt, was darauf hindeutet, dass die Modalitäten in Zukunft strikt eingehalten werden.
Es wäre jedoch falsch zu denken, dass die Medien den RBJ als „Gendarmen” sehen, dessen Aufgabe lediglich darin bestünde, ihre Fehler aufzuspüren. André Linard, Generalsekretär des Rates, der Ende dieses Monats sein Amt aufgibt, hob den Wunsch hervor, den er und sein flämischer Kollege von der Pressegruppe Roularta erhalten haben: in jeder auch noch so kleinen Redaktion Weiterbildungen in Sachen Ethik organisieren.
Dieser Ansatz ist für die betroffenen Journalisten von großem Interesse, die den Praktiken ihres Berufsstandes und dem Druck, den Journalisten unter anderem durch die Werbung ausgesetzt sind, oft sehr kritisch gegenüber stehen.
51 Anfragen, die Hälfte davon begründete Beschwerden
Wie
jedes Jahr hat der RBJ auch im Jahr 2015 die bearbeiteten Beschwerden
zahlenmäßig erfasst. Er hat 81 Beschwerden, davon 51 mit Bezug zur Berufsethik
erhalten, für die ein Beschwerdeverfahren eingeleitet wurde. Bei 5 Beschwerden
konnte eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beschwerdeführern und den
Medien erreicht werden.
40 % der eröffneten Verfahren betrafen SudPresse; das sind etwas weniger als im
Vorjahr.
Seit 2012 richteten sich die Beschwerden am häufigsten gegen Tageszeitungen.
2015 war diese Tendenz steigend: 30 von 51 Fällen betrafen Tageszeitungen, das
entspricht 59 % (+4 % im Vergleich zu 2014). An zweiter Stelle kommt das
Fernsehen (24 % ; + 7 %), gefolgt von periodisch erscheinenden Printmedien (8 %
; + 1 %), der Online-Presse (6 %; – 9 %) und dem Radio (2 % ; + 2 %).
Im Jahr 2015 erstellte der RBJ 30 Gutachten zu Beschwerden nach Beendigung des
Verfahrens, d. h. genauso viele wie im Vorjahr: 11 dieser Beschwerden stammten
aus dem Jahr 2014 und 19 aus dem laufenden Jahr. 16 von 30 Beschwerden wurden
als ganz oder teilweise begründet bewertet, das entspricht 53 % (67 % im Jahr
2014).
Die wichtigsten Verstöße betrafen Mängel bei der Recherche und dem Respekt der Wahrheit und äußerten sich in Annäherungen oder in mangelnder Verifikation. Die zweithäufigste Beschwerde betraf einen neuen Aspekt: das Fehlen des Rechts auf Gegendarstellung im Vorfeld der Veröffentlichung für Personen, gegen die schwere Anschuldigungen erhoben werden. Sie übertraf zahlenmäßig die Beschwerden in Bezug auf Verletzungen der Rechte am eigenen Bild und auf Privatsphäre.
Abschließend stellte der Präsident des RBJ Muriel Hanot vor, die neue Generalsekretärin des RBJ, die das Amt Ende April von André Linard übernimmt.