Kodex journalistischer Berufsethik
Präambel
Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäußerung und auf Kritik sind grundlegende Menschenrechte. Diese Rechte sind Grundvoraussetzung für eine demokratische Gesellschaft.
Journalisten haben das Recht und die Pflicht, die Öffentlichkeit über Themen allgemeinen Interesses zu informieren. Dieses Recht sollte nicht mit der Wissbegierde der Öffentlichkeit verwechselt werden, die nicht das absolute Recht besitzt, alles zu erfahren. Journalisten verfügen nicht über das absolute Recht, alles zu verbreiten.
Das Recht der Öffentlichkeit, über diese Themen informiert zu werden, wird durch die journalistische Freiheit und Verantwortlichkeit bestimmt.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Journalisten Normen auferlegt, die sich aus folgenden Verpflichtungen ergeben:
- Überprüfte und bestätigte Informationen verbreiten;
- Informationen unabhängig zusammentragen und verbreiten;
- Fair handeln;
- Die Rechte der Personen respektieren.
Jede andere Person, die Informationen verbreitet, ist angehalten, sich diesen Regeln zu verpflichten.
Die Verantwortlichkeit der Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat Vorrang vor jeder anderen, insbesondere vor ihrer Verantwortlichkeit gegenüber persönlichen Interessen, den Behörden und gegenüber ihren Arbeitgebern. Journalisten haben eine soziale Verantwortung, die mit der Pressefreiheit einhergeht.
Bestimmte, in dem Kodex enthaltene Normen werden durch Direktiven vervollständigt, präzisiert oder weiter ausgeführt, die im dritten Teil dieses Dokuments zu finden sind. Sie sind durch einen Pfeil gekennzeichnet.
Hinweis
Teil I Berufsethische Regeln
Art. 1 Aufgrund des Rechts der Öffentlichkeit auf Wahrheit, sind zur Veröffentlichung bestimmte Informationen durch Recherche auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu und ehrlich wiederzugeben.
Die Journalisten nennen im Rahmen des Möglichen und des Sachdienlichen ihre Quellen, insofern der Schutz der Anonymität der Quelle sich nicht aufdrängt (siehe auch Artikel 21) .
Art. 2 Journalisten recherchieren, ermitteln und informieren frei über alle gemeinnützigen Sachverhalte, um die öffentliche Meinung aufzuklären.
Die Vertraulichkeit öffentlicher oder privater Angelegenheiten akzeptieren Journalisten nur aus ausreichend begründeten Gründen allgemeinen Interesses und unter der Bedingung, dass diese Einschränkungen keine unberechtigten Hindernisse für die Informationsfreiheit darstellen
Art. 3 Journalisten entstellen keine Informationen, Texte, Bilder, Ton oder sonstiges und unterschlagen keine wesentlichen Elemente.
Bei der schriftlichen Übertragung von Interviews respektieren sie den Sinn und den Zusammenhang der Äußerungen.
Art. 4 Die Dringlichkeit entbindet die Journalisten weder ihrer Pflicht, ihre Quellen anzugeben und/oder diese zu überprüfen noch einer seriösen Recherche.
Sie lassen bei der Informationsverbreitung die größte Vorsicht walten und verpflichten sich der Genauigkeit.
Art. 5 Sie achten darauf, dass die Öffentlichkeit zwischen Fakten, Analysen und Einschätzungen unterscheiden kann.
Wenn sie ihre eigene Meinung äußern, müssen sie dies klar präzisieren.
Art. 6 Die Redaktionen berichtigen explizit und zeitnah jede von ihnen veröffentlichte Meldung, deren Inhalt sich als falsch erweist.
Art. 7 Die berufsethischen Regeln gelten für jede Form von Medium, einschließlich der professionellen Nutzung sozialer Netzwerke, persönlicher Sites und Blogs als Informationsquellen und Informationsverbreitungsmedien.
Art. 8 Jede Form von „Inszenierung“ soll dazu dienen, Informationen besser verständlich zu machen.
Art. 9 Die Journalisten verteidigen die Freiheit der Recherche, der Information, des kommentars, der Meinung, der Kritik, der Laune, der Satire und der redaktionellen Ausrichtung (unter anderem die Wahl der Ansprechpartner).
Diese Freiheit führen sie verantwortungsvoll aus.
Art. 10 Fakten sind verbindlich. Der Kommentar, die Meinungsäußerung, die Kritik und die Satire sind frei.
Die Form spielt dabei keine Rolle: Text, Zeichnung, Bild, Ton.
Art. 11 Journalisten wahren ihre Unabhängigkeit und lehnen jede Einflussnahme ab.
Anweisungen nehmen sie nur von ihren Redaktionsvorgesetzten an.
Sie lehnen jegliche Anordnungen ab, die gegen berufsethische Regeln verstoßen. Sie brauchen auch keine Anordnungen anzunehmen, die gegen die redaktionelle Ausrichtung des Mediums verstoßen, das sie beschäftigt.
Journalisten dürfen weder Vorteile fordern noch annehmen, die in irgendeiner Weise ihre Unabhängigkeit einschränken könnten.
Art. 12 Journalisten vermeiden jeden Interessenkonflikt. Sie verrichten keine Arbeiten für Dritte, wenn diese Tätigkeit ihrer Unabhängigkeit schadet.
Art. 13 Journalisten beteiligen sich nicht an Werbetätigkeiten oder nicht journalistischer Kommunikation.
Die Redaktionen sorgen für eine klare Trennung zwischen Werbung und journalistischer Information.
Die Nennung von Marken, Unternehmen, Persönlichkeiten, Events, Institutionen … erfolgt ausschließlich nach journalistischen Kriterien.
Die Berichterstattung über Veranstaltungen, die ihr Medium unterstützt, erfolgt unter den gleichen berufsethischen Standpunkten wie jede andere Berichterstattung über jedwede Veranstaltung.
Art. 14 Journalisten verhalten sich nicht wie Hilfskräfte der Polizei oder anderer Sicherheitsdienste.
Sie sind lediglich dazu angehalten, die Informationen zu übermitteln, die bereits in ihrem Medium veröffentlicht wurden.
Art. 15 Journalisten missbrauchen nicht in ihrem eigenen Interesse oder dem ihrer Angehörigen finanzrelevante Informationen vor ihrer Veröffentlichung.
Sie verwehren sich jeder Form von Insiderdelikten oder Marktmanipulationen.
Art. 16 Die Entscheidung, Reaktionen der Öffentlichkeit ganz oder teilweise zu veröffentlichen oder nicht, sowie die Betreuung und Moderation von Foren oder Online- Dialogseiten, obliegen in völliger Unabhängigkeit der Verantwortung der Redaktion.
Diese respektiert den Sinn und Geist der eingebrachten Äußerungen.
Art. 17 Journalisten wenden bei der Beschaffung und Bearbeitung von Informationen, Fotos, Bildern und Dokumenten faire Methoden an.
Als unfaire Methoden gelten unter anderem die Begehung strafrechtlicher Delikte, die Verschleierung des Journalistenberufes, die Irreführung über die Absicht des Einsatzes, der Gebrauch einer falschen Identität, die verdeckte Aufzeichnung, Belästigung, Bezahlung der Informanten …
Diese Methoden werden in manchen Fällen nicht als unfair betrachtet und sind nur unter allen folgenden Bedingungen zulässig:
- Die gesuchte Information weist ein überwiegendes öffentliches Interesse auf ;
- Die Beschaffung der Information ist anders nicht möglich;
- Die Gefährdung, der sich Journalisten und Drittpersonen aussetzen, bleiben im Verhältnis zum erhofften Resultat;
- Die Methoden werden, von unvorhergesehenen Ausnahmen abgesehen, erlaubt oder gegebenenfalls von der Chefredaktion gutgeheißen.
[NB: Am 17. Dezember 2015 hat der Rat für journalistische Berufsethik, kurz RBJ, entschieden, Provokation, Erpressung und Mobbing aus der Liste des Art. 17 zu streichen. Bei diesen Praktiken handelt es sich um als unlautere Methoden betrachtete strafbare Handlungen, aber im Unterschied zu den Methoden, die obenstehend ausdrücklich als unlauter bezeichnet werden, sind diese nur schwer nachweisbar.]
Art. 18 Die Redaktionen haben freie Hand bei der Bezahlung von Autoren, die exklusive Texte, Töne oder Bilder liefern, insofern anderen Medien der Zugriff auf dieselben Informationsquellen nicht verwehrt wird.
Art. 19 Journalisten fertigen keine Plagiate an. Wenn sie eine vorab durch ein anderes Medium veröffentlichte Exklusivinformation weiterverbreiten, müssen sie die Quelle nennen.
Art. 20 Journalisten handeln fair und kollegial gegenüber Berufskollegen ohne jedoch auf ihre Freiheit auf Recherche, Information, Kommentar, Kritik, Satire und redaktionelle Entscheidungen, wie in Artikel 9 beschrieben, zu verzichten.
Art. 21 Journalisten halten die Identität ihrer Informanten, denen sie Vertraulichkeit zugesichert haben, geheim.
Dies gilt auch, wenn Journalisten davon ausgehen können, dass die Informationen ihnen nur unter Wahrung der Anonymität gegeben wurden oder wenn sie befürchten, ihre Informanten in Gefahr zu bringen.
Dann geben die Journalisten keine Hinweise weiter, die ihre Quelle identifizierbar machen könnte. (siehe auch Artikel 1)
Art. 22 Wenn Journalisten schwere Anschuldigungen verbreiten, die den Ruf oder die Ehre einer Person schädigen könnten, müssen sie dem Betroffenen die Möglichkeit einer Stellungnahme vor Veröffentlichung der Informationen geben.
Besteht nicht die Möglichkeit eine Stellungnahme einzuholen, muss die Öffentlichkeit bei Veröffentlichung der Information darüber in Kenntnis gesetzt werden.
Art. 23 Journalisten nehmen ihren Ansprechpartnern gegenüber keinerlei Verpflichtungen an, die ihre Unabhängigkeit gefährden könnten.
Allerdings respektieren sie die Veröffentlichungsmodalitäten, die sie frei akzeptiert haben, wie das Embargo, das « off », die Anonymität…
Art. 24 Journalisten berücksichtigen die Rechte jeder explizit oder implizit in einer Information erwähnten Person.
Diese Rechte wägen sie mit dem allgemeinen Interesse ab, das mit der Information einhergeht.
Das Recht am eigenen Bild gilt auch für Bilder, die im Netz zugänglich sind.
Art. 25 Journalisten respektieren das Privatleben der Personen und geben keine persönliche Angabe preis, die nicht von allgemeinem Interesse ist.
Art. 26 Journalisten sehen davon ab, in das Leid von Personen einzugreifen sowie Informationen und Bilder zu veröffentlichen, die die Menschenwürde verletzen, es sei denn die Information ist von allgemeinem Interesse.
Art. 27 Journalisten lassen besondere Vorsicht hinsichtlich der Rechte von nicht medienvertrauten Personen, der Rechte schwacher Personen wie Minderjährigen oder Opfern von Gewalt, Unfällen, Attentaten usw. und ihrer Familien, walten.
Art. 28 Journalisten erwähnen nur persönliche Merkmale, wenn diese relevant im Sinne des allgemeinen Interesses sind.
Bei der Beschreibung dieser Merkmale verzichten sie auf Stereotypen, Verallgemeinerungen, Übertreibungen und Stigmatisierungen. Sie verbieten sich jede auch nur indirekte Anstiftung zur Diskriminierung, zum Rassismus und zur Fremdenfeindlichkeit.
[NB: Am 25. Mai 2016 hat der RBJ schon im Vorfeld der Annahme der Empfehlungen zur Berichterstattung über ausländische Personen bzw. Personen mit ausländischer Herkunft und ähnliche Themen entschieden, am Ende des Artikels 28 des Kodex journalistischer Berufsethik die Worte „… zum Rassismus und zur Fremdenfeindlichkeit“ hinzuzufügen. ]
Teil II Begriffserklärung
Jede natürliche Person besitzt das Recht am eigenen Bild und auf dessen Verwertung.
Im Prinzip besitzt niemand das Recht, ohne vorherige Einwilligung darüber zu verfügen.
Allerdings kann im Informationsbereich die Einwilligung einer auf einem Bild identifizierbaren Person vorausgesetzt werden, unter anderem wenn das Bild an einem öffentlichen Ort oder bei einer öffentlichen Veranstaltung aufgenommen wurde, ohne jedoch die Person grundlos in den Vordergrund zu stellen.
Dies gilt auch für den Fall, dass die dargestellte Person selber ihr Bild publik macht oder sie ihr stillschweigendes aber sicheres Einverständnis für die Aufnahme gegeben hat.
Aus Sicht journalistischer Berufsethik kann eine Information als von allgemeinem Interesse betrachtet werden, wenn sie teilweise oder in ihrer Ganzheit eine oder mehrere Fragen für das Leben in der Gesellschaft aufgreift.
Einige Kodexe führen die Begriffe öffentliches Interesse oder gesellschaftliches Interesse.Diese Begriffe betonen den Unterschied zwischen dem allgemeinen und dem Einzelinteresse. In jedem Fall darf man das Allgemeininteresse nicht mit der einfachen Wissbegierde der Öffentlichkeit verwechseln.
Journalist ist im Sinne dieses Kodexes jede Person, die über ein Medium direkt oder indirekt an der Beschaffung, der redaktionellen Bearbeitung, der Produktion und/oder der Verbreitung von Informationen beiträgt, die für die Öffentlichkeit bestimmt und in deren Interesse sind.
Natürliche oder juristische Person, deren Tätigkeit darin besteht, die journalistische Information, auf welchem Träger auch immer, bereitzustellen und/oder zu verbreiten.
Unter Plagiat versteht der Kodex die textliche oder quasi textliche Wiedergabe einer Originalschrift ohne deren Autor zu nennen.
Der Begriff Redaktion bezeichnet die Verantwortlichen und die Gesamtheit der Mitglieder der Gruppe oder des Dienstes, der mit der Beschaffung und der Bearbeitung journalistischer Inhalte in einem Medium beauftragt ist.